Ukraine-Hilfe im Kinderdorf

Am 24. Februar 2022 begann Russland einen Angriffskrieg gegen den souveränen Nachbarstaat Ukraine.

Mehr als die Hälfte der ukrainischen Kinder sind inzwischen auf der Flucht. Vertrieben aus ihrer Heimat. Oft mit ihren Müttern, seltener mit ihren Vätern. Die meisten Männer konnten die Ukraine nicht mehr verlassen.

Für das Albert-Schweitzer-Kinderdorf war schnell klar: Wir wollen unterstützen. Zeitnah bot sich die Gelegenheit dazu.

Zwei unserer Hausleitungen sind Ukrainerinnen. Es war für uns selbstverständlich zusammen zu rücken, als die Frage aufkam, ob wir die geflüchteten Familien der beiden Kolleginnen aufnehmen können. Wir sind dankbar und froh, dass die drei Frauen, zwei junge Erwachsene und drei Kinder nach langer, beschwerlicher Reise in Sicherheit in Berlin angekommen sind.

Aktion „Kinder helfen Kindern“

Auch unsere Kinder wollten „etwas tun“, Selbstwirksamkeit erleben, bei allem, was sie täglich in den Medien über das Kriegsgeschehen sehen und hören. Gutes tun tut gut – auch Kinderseelen in Zeiten maximaler Verunsicherung. So entstand die Aktion „Kinder helfen Kindern“, bei der Kinder und Mitarbeitende des Kinderdorfes Willkommenskekse gebacken und mit 50€-Gutscheinen von myToys versehen haben. Die Gutscheine sollten eine kleine Starthilfe darstellen, denn für manche ukrainische Kinder blieb bei der Flucht nichtmal Zeit, das Lieblings-Kuscheltier einzupacken. Die kleinen Pakete wurden in Berliner Notunterkünften verteilt.

Ein Kinderdorfhaus wird kurzer Hand zur ukrainischen WG

Bei der Aktion lernten wir in der Ev. Luther-Kirchengemeinde Alt-Reinickendorf mehrere Familien kennen. In der Notunterkunft lebten zeitweise 90 Personen in einem Gemeinde-Raum zusammen – engagiert betreut von einer beeindruckenden Anzahl ehrenamtlicher Helfer*innen unter der Leitung von Pfarrer Sven Lambert.

Man kam ins Gespräch und bald stand fest: Wir können nicht mit unserem Gewissen vereinbaren, dass im Albert-Schweitzer-Kinderdorf ganze Häuser leer stehen, während die Situation dort für alle Beteiligten extrem Kräfte zehrend ist und dringend Wohnraum benötigt wird. Die Lage in der Notunterkunft wurde nochmal angespannter, als ein Magen-Darm-Virus die Runde machte und auch zahlreiche Ehrenamtliche erkrankten. Es zeichnete sich ab, dass die Unterkunft zeitnah schließen und für die Geflüchteten schnell eine neue Bleibe organisiert werden muss. Mitarbeitende, Leitungen und Vorstand des Kinderdorfes hatten schon vorher überlegt, wie und wann Raum zur Verfügung gestellt werden könnte. Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Wir beschlossen, zwei Schwestern mit vier Kindern, eine kleine Familie und einen alleinreisenden Vater mit Sohn aufzunehmen. Vom Entschluss bis zum Einzug lagen kaum 24 Stunden. Das Haus in Gatow, welches bezogen werden sollte, stand zunächst leer. Und so war es insbesondere den fleißigen Helfer*innen, Spender*innen, zwei Hauswirtschaftskräften aus Gatow, Herrn Köppe und Herrn Kolberg sowie dem Sozialwarenhaus SOPRORO und dem Lions Club Spandau zu verdanken, dass beim Eintreffen unserer Gäste am 15. März die Räume bereits wohnlich hergerichtet und das Nötigste vorhanden war. Die Nachbarhäuser in Gatow hießen die neuen Kinderdorfbewohner*innen herzlich Willkommen mit spontan gebastelten Girlanden und warmen Speisen für die ersten Tage. Am 16. März zog noch eine junge Frau mit zwei Kindern, die bislang in Kladow privat untergebracht war, in das umfunktionierte Kinderdorfhaus und machte die WG komplett.

 

Vier Wochen später

Inzwischen sind knapp vier Wochen vergangen. Die aufgenommene kleine Familie reiste weiter nach England zu Verwandten, dafür konnte die Schwester einer unserer Bewohnerinnen mit ihrem zwölfjährigen Sohn einziehen.

Die Registrierung sowie die medizinisch-psychologische Betreuung sind gut angelaufen. Manches Erlebte, das noch keinen Ausdruck findet, wird gemalt oder geknetet. Künstlerin Sabine Schultze unterstützt ehrenamtlich dabei. Trotz vorhandener Sprachbarrieren sagt sie: „Kunst baut Brücken und dafür braucht es keine Worte.“

Wir erleben Kinder und Erwachsene insgesamt immer gelöster.

Die Schule hat für die Kids am 6. April mit einem Zirkusprojekt begonnen.

https://youtu.be/2TSMS-IsH3Y

Sie leben sich gut ein und lernen erstaunlich schnell die deutsche Sprache im Kontakt mit anderen Kindern. Aber auch ohne Sprache – man versteht sich irgendwie. Freundschaften werden in Windeseile geknüpft. Wie hier zwischen Mila (8) und Nikol (6), die ihre Mamas nun täglich nach neuen Gelegenheiten fragen, endlich wieder Zeit zusammen zu verbringen.

Auch bei den Erwachsenen sind Bindungen  entstanden, die über „Hilfe“ hinaus gehen. Das Albert-Schweitzer-Kinderdorf Berlin hat neue Freunde gewonnen. Man lacht, weint und feiert zusammen Geburtstage. Zum Beispiel den der sechsjährigen Adelina. Ein bisschen Normalität. Beinahe hätte kurzfristig nichts daran erinnert, dass Adelina vor vier Wochen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder (11) alles hinter sich lassen musste. Auch ihren Papa. Mit ihm konnte sie immerhin kurz telefonieren.

https://youtu.be/4XlCNYdnnOQ

Dank der Hilfe zahlreicher Unterstützer*innen und Spender*innen können 24 Menschen nun für den Moment etwas aufatmen und gehen Schritt für Schritt in ein sicheres und selbstbestimmtes Leben in Berlin. Dafür möchten wir uns stellvertretend für unsere Gäste herzlich bei allen Mitwirkenden bedanken.

 

Eines sei noch erwähnt: Auch wenn in den sozialen Medien längst Beauty-Tipps und Reiseberichte wieder angesagter sind: Dieser Krieg ist nicht vorbei und findet generell an vielen unterschiedlichen Orten der Welt statt. Menschen auf der Flucht brauchen dringend unser aller Unterstützung. Wir möchten also an dieser Stelle jede*n Einzelne*n ermutigen, weiterhin sein/ihr Möglichstes zu tun. Zum Beispiel durch die Unterstützung des Vereins Wir packen’s an.

Sie wollen unsere Gäste unterstützen?

Das geht am besten mit einer zweckgebundenen Überweisung (Verwendungszweck „Geflüchtete Familien“) auf unser Spendenkonto:

IBAN: DE45 1001 0010 0003 0501 01
BIC: PBNK DEFF

Wir haben dann die Möglichkeit mit den Bewohner*innen bedarfsorientiert einzukaufen (z.B. Schulsachen für die Kinder, Kleidung je nach Größe und Jahreszeit usw.).

Auch Gutscheine für Freizeitaktivitäten oder Supermärkte sind weiterhin herzlich Willkommen. Bitte sehen Sie von Sachspenden ab. Hier ist der Bedarf glücklicherweise gut gedeckt.

Das Albert-Schweitzer-Kinderdorf Berlin hat die Aktion „Kinder helfen Kindern“ noch einmal ausgeweitet und pro betreutem Kind im Verein 100€ an ukrainische Kinderhilfe gespendet. 39.400€ sind hier zusammen gekommen.

„Ehrfurcht vor dem Leben“ heißt für uns, jedem und jeder Bedürftigen – jung wie alt und völlig ungeachtet der Nationalität, des Geschlechtes oder der religiöser Zugehörigkeit – Chancen für ein selbstbestimmtes, friedliches Leben und eine günstige Entwicklung zu bieten, im Sinne unseres Namenspatrons Albert Schweitzer.

von Catharina Woitke

#StandUpForUkraine