Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Kolleg:innen,
liebe Ehrenamtler:innen und
liebe Unterstützer:innen des Albert-Schweitzer-Kinderdorf Berlin,
der 15. Mai 2025 war ein besonderer Tag für das Albert-Schweitzer Kinderdorf Berlin und mich persönlich.
Nach einem umfangreichen Satzungsänderungsprozess, wurde in der Mitgliederversammlung der neue Aufsichtsrat gewählt. Ich gratuliere Herrn Frank-Axel Dietrich (Aufsichtsratsvorsitzender), Frau Bettina Pag (Stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende), Herrn Gerhard Schmidt-Burda (Schatzmeister), Frau Ursula Meys (Beisitzerin) und Herrn Christoph Kasprowiak (Beisitzer) zur Wahl und freue mich sehr auf die Zusammenarbeit.
Geehrt wurde zudem der ehemalige Vorstand, bestehend aus dem – seit knapp 40 Jahren für das Kinderdorf engagierten – Rainer Haßelmann sowie Bettina Pag und Gerhard Schmidt-Burda. Auch Ursula Meys und Christian Schiller, als ehemalige Kuratoriumsvorsitzende, wurde ein gebührender Dank ausgesprochen, stellvertretend für alle Mitglieder des ehemaligen Kuratoriums.
Im Anschluss zur Mitgliedersammlung wurde ich in der konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrates zur Vorständin gewählt.
Ich trete dieses Amt mit großer Dankbarkeit an. Dankbarkeit gegenüber den vielen Menschen, die in 65 Jahren etwas sehr Wertvolles geschaffen haben. Auf diesem Fundament darf ich nun aufbauen – mit dem tiefen Bewusstsein, dass das Albert-Schweitzer-Kinderdorf Berlin mehr ist als eine Einrichtung der Jugendhilfe.
Es ist ein Ort der Verlässlichkeit – für Kinder, die Schutz brauchen. Für Familien, die Halt suchen. Getragen durch Mitarbeitende und Ehrenamtler:innen, die größten Einsatz zeigen – auch, wenn es schwierig wird.
Ein Ort, an dem Kinder nicht durch ein System fallen, sondern aufgefangen werden. Ein Ort, der nicht fragt: „Wie gut passt Du ins Raster?“, sondern: „Was brauchst Du, um zu wachsen?“
Denn Kinder und Jugendliche wachsen nicht im luftleeren Raum. Sie wachsen in einer Welt voller Spannungen, Fragen und Widersprüche. Wir als Kinderdorf, als Jugendhilfe, als zivilgesellschaftlicher Akteur – stehen mitten in dieser Welt und haben die Aufgabe, sie zu begleiten, ihnen einen stabilen Rahmen zu schaffen und Orientierung zu geben für ihre Zukunft. Wurzeln und Flügel.
Was aktuell in der Welt passiert, berührt unser Innerstes:
Wenn politische Unsicherheit wächst, wenn der Ton unnötig rau wird, wenn Institutionen ins Wanken geraten … Genau dann müssen wir für die jungen Menschen umso stabiler sein.
Ja, wir erleben aktuell Krisen. Politisch, gesellschaftlich – teils auch wirtschaftlich. Aber ich glaube daran, dass in jeder Krise auch eine Chance liegt: Eine Chance zur Kurskorrektur. Eine Chance zur Klarheit. Eine Chance, uns daran zu erinnern, wofür wir stehen.
„Krise als Chance“ – das ist für mich kein Spruch aus einem Kalender, sondern ein Prinzip aus unserem Arbeitsalltag. Wir entscheiden jeden Tag neu, ob wir resignieren oder gestalten.
Und wir wissen: Die politische Lage wird die Bedingungen unserer Arbeit möglicherweise verändern. Mit wachsender Polarisierung und dem Erstarken populistischer Strömungen steigt der Druck auf unser System.
Aber eines ist ebenfalls gewiss: Wir sind ein freier Träger.
Wir sind stabil. Wir sind stark. Und wir bleiben unabhängig.
Wir bleiben nicht neutral. Das können wir nicht. Denn wer mit Kindern und Familien arbeitet, steht nicht abseits der Gesellschaft. Wir stehen mitten in ihr.
Wenn politische Debatten sich zunehmend auf Kosten der Schwächsten zuspitzen, wenn spaltende Begriffe salonfähig werden, dann ist es unsere Pflicht, Position zu beziehen. Ruhig. Klar. Standfest.
Was es jetzt braucht, ist Orientierung. Mut. Verlässlichkeit.
Deshalb haben wir im Geschäftsführungsteam mit meinen geschätzten Kolleg:innen Maria Peil und Frank Stieger fünf Leitlinien formuliert, die unser Handeln bereits jetzt und in den kommenden Jahren bestimmen:
1. Menschen gewinnen, begleiten und stärken.
Wir wollen Fachkräfte finden, binden und entwickeln – weil gute Beziehungen und Befähigungen das Fundament unserer Arbeit sind.
2. Qualität sichern und Zukunft gestalten.
Wir wollen Bestehendes bewahren und neue Angebote schaffen – passgenau für den Bedarf der Kinder und Familien und mit dem Fokus auf Kinderschutz.
3. Gute Arbeit verdient gute Bedingungen.
Wir stehen ein für eine solide, verlässliche Finanzierung – weil Engagement professionelle Rahmenbedingungen braucht.
4. Verantwortung endet nicht am Gartenzaun.
Wir arbeiten nachhaltig – ökologisch, sozial und ökonomisch. Weil Zukunft uns alle angeht. Und weil wir eine Vorbildfunktion haben.
5. Digitalisierung sinnvoll nutzen.
Wir gestalten vermehrt digitale Prozesse, die entlasten, verbinden und transparenter machen – ohne unsere Menschlichkeit zu verlieren.
Diese Ziele folgen unserem zentralen Auftrag: Wir wollen jungen Menschen, die in Not sind, eine verlässliche Lebensform bieten. Wir stehen für Teilhabe, Schutz, Bildung, Integration – und für eine Gemeinschaft, die niemanden zurücklässt.
Wenn ich gefragt werde, wer mich inspiriert, denke ich an eine Frau, die uns allen ein Vorbild sein kann: Margot Friedländer – vor wenigen Tagen verstorben – hat uns gezeigt, dass Erinnern nicht lähmt, sondern befreit. Dass Menschlichkeit kein Luxus ist, sondern Haltung. Und dass es unsere Verantwortung ist, nicht wegzusehen – nie.
Ich möchte schließen mit dem Gedanken, dass ich sehr genau weiß:
Dieser Verein lebt nicht von den Ideen und Konzepten einzelner – sondern von den Menschen, die sie gemeinsam ausgestalten und tragen.
Ich freue mich sehr auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen und Euch allen – unter dem bekannten Motto: „Gemeinsam Zukunft gestalten.“
Ich freue mich auf gemeinsame Projekte, gemeinsame Lösungen –
und manchmal auch einfach nur gemeinsames Durchatmen.
Lassen Sie uns das Kinderdorf weiterentwickeln. Nicht um seiner selbst willen, sondern weil wir den Kindern, Jugendlichen und Familien, die zu uns kommen, das Beste schulden, was wir geben können: Zuwendung, Schutz, Zukunft.
Und: Haltung.
In der Hoffnung, dass Sie alle uns bei diesem Vorhaben weiterhin so tatkräftig unterstützen und jederzeit mit Fragen und Anregungen auf mich zukommen
verbleibe ich mit herzlichen Grüßen.
Catharina Woitke (16.05.2025)