„Eine offene und solidarische Gesellschaft ermöglicht unseren Kindern ein gesundes Aufwachsen“ –
Cordula Weigel über die Zukunft der Familienhilfe in Zeiten politischer Unsicherheit
Teil 3
Thema: Familienhilfe und soziale Projekte
Interview mit Cordula Weigel
(Leitung Familienzentrum „Die Brücke“)
Frage 1:
Wie sehen Sie die Auswirkungen einer stärker an den Haltungen der AfD orientierten Politik auf die Arbeit von Familienzentren und sozialen Projekten im Allgemeinen? Was denken Sie über die Haltung der AfD zu sozialen Projekten, insbesondere im Bereich der Familienhilfe? Glauben Sie, dass diese Politik die Arbeit des Familienzentrums beeinträchtigen könnte?
Cordula Weigel: Wir beobachten im Familienzentrum den Zuspruch für Positionen, die die AfD vertritt mit großer Sorge. Familienförderung richtet sich explizit an ALLE Familien, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem sozialen Status oder ihrer sexuellen Orientierung. Die AfD will Angebote für alle, die nicht der deutschen traditionellen Normfamilie entsprechen drastisch einschränken und spricht sich gegen Vielfalt und Inklusion aus. Dies widerspricht diametral unserem Verständnis einer offenen solidarischen Gesellschaft, die allen Kindern ein gesundes Aufwachsen ermöglicht. Wir sind ein Ort, der offen ist für ALLE Familien und das soll auch so bleiben.
Frage 2:
Welche Rolle spielen Familienzentren wie „Die Brücke“ für die Integration und Unterstützung von benachteiligten Familien in Berlin, und wie könnte sich eine Veränderung der politischen Landschaft auf diese Rolle auswirken?
Glauben Sie, dass eine AfD-geführte Politik dazu führen könnte, dass die Bedeutung und die Finanzierung solcher Einrichtungen in Frage gestellt werden?
Cordula Weigel: Familienzentren sind für alle Familien da. Aber wir nehmen Familien, die vor besonderen Herausforderungen stehen oder unter gesellschaftlicher Benachteiligung leiden, wie Alleinerziehende, armutsgefährdete Familien, Regenbogenfamilien, Familien mit Migrationshintergrund oder Eltern von Kindern mit besonderem Förderbedarf gezielt in den Blick. Bereits jetzt beobachten wir wie die politische Stimmung auch die inhaltliche Ausrichtung von Projektförderungen negativ beeinflusst und Projekte, die beispielsweise Geflüchtete adressieren um ihr Dasein bangen oder schließen müssen. Diese Entwicklung würde sich mit der AfD, die Inklusion ablehnt, in Regierungsverantwortung noch mehr verschärfen und auch andere benachteiligte Zielgruppen, für die wir uns einsetzen betreffen.
Frage 3:
Die AfD hat sich in der Vergangenheit gegen eine umfassende Förderung von Migrant:innen und sozialen Projekten ausgesprochen. Welche Auswirkungen könnte das auf Ihre tägliche Arbeit haben, insbesondere im Hinblick auf Familien, die Unterstützung benötigen? Welche Herausforderungen sehen Sie für Ihr Familienzentrum, wenn sich die politische Ausrichtung zu sozialer Unterstützung verändern würde?
Cordula Weigel: Wir sehen in der Integration und Unterstützung neu zugewanderter Familien einen der aktuell großen Bedarfe und Herausforderungen unserer Arbeit. Insbesondere nach der Zuspitzung vieler gesellschaftlicher und individueller Problemlagen durch die Pandemie, die Familien betraf, sehen wir hier weiterhin dringenden Handlungsbedarf, um das Entstehen von Parallelgesellschaften, wechselseitiger Vorurteile, Rassismus und Ausgrenzung sowie soziale Härten und familiäre Notlagen wirksam zu bekämpfen. Da geflüchtete Frauen durch individuellen und strukturellen Rassismus mit einer doppelten Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Herkunft betroffen sind, sehen wir hier einen besonderen Bedarf an Unterstützung durch geschützte Räume, um sich gegenseitig zu ermutigen, zu bestärken und zu vernetzen.
Mit der Umsetzung der Forderungen der AfD müssten wir diese wichtige Arbeit einstellen, was die aktuell zu beobachtende Spaltung unserer Gesellschaft weiter verschärfen würde. Generell wünsche ich mir von der Politik ein klares Bekenntnis zu einer offenen, vielfältigen und solidarischen Gesellschaft. Die Antwort auf einen politischen Rechtsruck kann nicht sein, den Forderungen von Demokratiefeinden entgegenzukommen, sondern sollte vielmehr darin liegen, in ein friedliches Miteinander, in Begegnung, in Bildung und Demokratieförderung durch Partizipation zu investieren.
Dieses Interview wurde geführt von Annika Mecke.
Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews mit Geschäftsführerin Catharina Woitke zum Thema Jugendhilfe sowie den zweiten Teil mit der Leitung der Kitas und Familienzentren Maria Peil zum Thema Kindertagesbetreuung.
Foto Kinderhand: Konstantin Börner